Das Gefühl von Machtlosigkeit und dem Versuch, nicht wahnsinnig zu werden

Und wie aus dem Nichts, wirst Du mit 25 Jahren, vor die Frage gestellt: Willst Du eigentlich mal Kinder haben?

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Diesmal aber nicht nach dem Motto, jemand lernt dich kennen und will das einfach wissen um dich als Person zu verstehen. Diesmal kannst Du auch nicht antworten: „Keine Ahnung. Hängt wohl von der/dem passenden Partner/in ab. Werden wir in ein paar Jahren sehen.“

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Diesmal zerbrichst Du dir unweigerlich den Kopf darüber, ob Du ernsthaft an eigenen Kindern interessiert bist.

Denn diesmal teilt dir eine Ärztin mit, dass Du vielleicht niemals eigene Kinder haben kannst.

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Als vor drei Wochen endlich der Verdacht Endometriose im Raum stand, war mir schnell klar, dass diese Frage noch öfter aufkommen wird. Beim Vorgespräch, bei der medikamentösen Therapie, in der langfristigen Behandlung… überall würde es Thema werden, dass Endometriose zu Problemen führen kann, wenn es um den eigenen Kinderwunsch geht. Da war aber alles noch so „locker“ und man schaut halt mal, was bei der Op überhaupt herum kommt.

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Heute wurde die Endometriose bereits zu 90% bestätigt, ohne überhaupt die Bauchspiegelung gehabt zu haben. So eindeutig sahen die fast pechschwarzen Zysten im Ultraschall, für die Oberärztin des Endo-Zentrums, aus. So eindeutig ließ die Anamnese bereits darauf schließen.

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Nun gut, dann ist das jetzt halt klar, man entfernt die Zysten und dann geht es an die medikamentöse Therapie. Da kam der nächste Klopper: „Sie werden dann dauerhaft die Pille nehmen müssen. Sprich sie werden ihre Tage erst wieder bekommen, wenn sie irgendwann aktiv versuchen, Kinder zu bekommen. Vorher werden sie keinen normalen Zyklus mehr erleben.“

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Jahrelang wollte ich nicht sinnlos Hormone einschmeißen, weil das ja nicht die Lösung für alles sein kann… jetzt soll ich mit 25 in die künstliche Menopause, damit ich, halbwegs bis ganz, beschwerdefrei leben kann. Großes Kino.

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Als wäre bis hierhin mein 2020 nicht schon eine große Katastrophe gewesen, folgten die nächsten Hiobsbotschaften.

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„Von der Tast- und Schalluntersuchung her, schaut es nicht so aus, ihre Angaben sprechen aber dafür. Wir werden den Darm nochmal auf Endo-Herde untersuchen. Sollten wir welche finden, kann es passieren, dass wir den Darm teilweise entfernen, für mehre Monate einen künstlichen Darmausgang legen und das dann revidieren, wenn der restliche Darm sich erholt hat. Sollen wir das ggf direkt in der Op machen, oder wollen sie lieber nochmal über das Ergebnis sprechen und dann eine zweite Op ansetzen?!“

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Hand auf‘s Herz: Wer von euch hat sich mit 25 schon mal Gedanken darüber machen müssen, wie er zu einem künstlichen Darmausgang steht? Niemand? Geht mir genau so… Wir haben uns darauf verständigt, dass der Befund erst nochmal mit mir besprochen wird und man zusammen abwägt wie nötig der Eingriff wirklich wäre.

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Und falls jemand denkt, hier hätte das Drama ein Ende gefunden… nö. Es wurd noch besser.

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„Ihre Gebärmutter sieht aber auch nicht ganz normal aus.“

Ich weiß nicht wieso, aber Krebs war in meinem Kopf in dem Moment präsenter, als die Aussage: „Man nennt das Herzförmige Gebärmutter. Hier außen können sie die Gebärmutter gut erkennen, aber umso mehr man in die Mitte geht, verschwindet sie. Irgendwann sieht man die im Ultraschall nicht mal mehr. Das kann sein, dass eine Schwangerschaft damit schwer, bis gar nicht möglich wird. Das ist eine Fehlbildung, die man operativ abklären muss.“

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Zack. Mit 25 sagt man mir, dass ich eine fehlgebildete Gebärmutter habe, mit der ich eventuell gar keine Kinder kriegen kann. Wieso genau hat mir das die letzten ca. 13 Jahre niemand gesagt? Wieso haben das 3 Ärztinnen nicht gesehen, obwohl diese Fehlbildung von Geburt an vorhanden ist?

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Nun habe ich eine Gebärmutterhöhlenspiegelung mit anschließender Bauchspiegelung gewonnen. Falls man bei der Gebärmutterspiegelung die Gebärmutter durchstoßen sollte, könnte man sie so in der zweiten Spiegelung wieder zusammenflicken… tatsächlich war der Gedanke mein kleinstes Problem an der ganzen Geschichte.

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Von sämtlichen anderen Komplikationen und Risiken, die sonst mit solch einer Op einhergehen, brauchen wir nicht reden. Die habe ich alle mit Schulterzucken wahrgenommen. Eitrige Wunden, Schulterschmerzen von der Lagerung, verletzte Organe, allergische Reaktionen, … Alles Kleinscheiß über den sie halt aufklären musste. Nichts worüber man sich einen Kopf zerbrechen müsste. Pah. Das ich das mal sagen würde…

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Ich will mich nicht verrückt machen und eigentlich will ich mich auch noch gar nicht mit der Frage nach meinem eigenen Kinderwunsch beschäftigen. Bis zum Op-Termin sind es noch ein paar Wochen und bis die Op vorbei ist, wissen wir alle nicht, was jetzt genau Stand der Dinge ist und was nicht.

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Selbst, wenn ich mir die Frage nun beantworten würde… was würde es mir bringen? Herbe Enttäuschung nach der Op, wenn es heißt, eigene Kinder sind unmöglich und ich gedanklich aber doch welche haben wollte? Kann ich drauf verzichten, also will ich so genau gar nicht drüber nachdenken.

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Doch der Gedanke, dass man sich bald Gedanken darum machen muss, macht mich kirre. Der Gedanke, was ist wenn, schwirrt den gesamten Tag im Kopf herum. Mit etwas Ablenkung verschwindet er kurzzeitig, doch er taucht schneller wieder auf, als man meint.

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Für die, die bisher gelesen haben… ich bin kein wahnsinnig, krass, gläubiger Mensch, war es nie und werde vermutlich auch nie einer werden. Doch hin und wieder, wenn vieles auf einmal passierte und ich keine Kontrolle über die Dinge hatte, habe ich gebetet. Ich habe gebetet, dass falls es irgendwas in diesem Universum gibt, mir dieses Wesen, ein wenig Kraft schenkt. Ich glaube nicht an übersinnliche Heilkräfte, oder der gleichen… aber ich glaube durchaus daran, dass der Glaube an etwas, einem Kraft geben kann. Kraft, die ich aktuell mehr denn je brauchen kann.

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Seit 13 Jahren kämpfe ich gegen meine Psyche und ihre Dämonen an. 13 Jahre war ich mein größter Feind. 13 Jahre hatte ich es aber auch in der Hand, wie der Kampf ausgeht. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als auf die Ärztin und Glück zu bauen. Darauf zu hoffen, dass nach all dem Drama dieses Jahres, endlich Ruhe einkehrt und alles halb so wild ist, wie es vielleicht gerade noch scheint.

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Ich habe mich noch nie so machtlos gefühlt wie aktuell. Nichts tun zu können, außer den Kopf hochzuhalten und nicht wahnsinnig zu werden… das ist Machtlosigkeit auf einem neuen Level.

Veröffentlicht von Kleinekaeferin

28. Freiberuflich im Zirkus unterwegs und über die Hälfte ihres Lebens psychisch erkrankt. Bedingt durch das Jahr 2020 geht es vor allem um Corona, meine Endometriose-Diagnose und alles, was sonst so passiert ist. Alle Gedankengänge, die für Instagram zu lang sind, kommen in Zukunft hier hin.

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