Lasst uns mal wieder reden…
Ich hab gerade 40 Minuten an einem Blog-Eintrag gesessen, der nicht mehr enden wollte. Irgendwie haben sich da wohl ein paar Worte aufgestaut.
Also Beginn ich das Ganze von vorne und fasse es mal kurz. Ich versuche es zumindest. (Edit: Haha. Habt ihr nicht wirklich geglaubt, dass meine Blog-Einträge kurz werden, oder?)
Meine Endometriose schlägt gerade gnadenlos zu. Psychisch und physisch. Das ist die Kurzfassung, mit der ihr jetzt aufhören könntet, weiterzulesen, weil alles gesagt wurde, was gesagt werden musste.
Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, was für ein unendlicher und plötzlicher Kampf, eine chronische Erkrankung ist, ich hätte gesagt: „Ja, operiert mal diese Zysten raus, aber sagt mir nicht, ob‘s Endometriose ist oder nicht.“
Ich sag es euch, dass ist echt schwer vorstellbar, wie plötzlich alles über einen zusammenbricht, obwohl man sich ja schon Jahrelang mit der Erkrankung herumgeplagt hat. Die Erklärung ist vermutlich leicht: 14 Jahre lang hieß es, dass ich kerngesund wäre und mich bitte mal nicht wegen ein bisschen Periodenschmerz anstellen soll.
Und von heut auf morgen hieß es dann plötzlich: Schwer-chronisch krank. Zwei geplante OPs in 2 1/2 Monaten, um so viele Organe zu retten, wie es geht. Behandlungsmöglichkeiten? Kaum vorhanden. Heilung? Nicht in Aussicht.
Von heut auf morgen lebt man mit der ständigen Angst, dass einem die Erkrankung, Stück für Stück die eigenen Organe auffrisst. Gefolgt wird das ganze dann von den Nebenwirkungen der OPs.
Eigentlich sollen die OPs möglichst viele Organe erhalten und Schmerzlinderung bringen. Mit jeder Op entsteht aber neues Narbengewebe und neue Verwachsungen der Organe. Das heißt: was einerseits retten soll, kann dir andererseits auch große Probleme in Nachgang bereiten.
Die vergangenen Wochen und Monate waren hart. Nachdem ich letztes Jahr glaubte, nie wieder in meinen Job zurück zu finden, war ich dieses Jahr sehr plötzlich wieder mittendrin. Und das mit viel Spaß. An der richtigen Dosis Arbeit, arbeite ich gerade noch. Scheinbar sind zwei Wochen im Monat genug zum Leben, aber vor allem genug für meine Endometriose. Ob ich das schaffe, über Monate hinweg, jede Woche drei Tage zu arbeiten, kann ich aktuell nicht sagen. Aber werd ich auch noch herausfinden.
Ich wünschte mir aber, dass meine Arbeit mein größtes Problem wäre.
Vor kurzem kam die Idee auf, mit drei Arbeitskollegen und Freunden zusammen zu ziehen. Es klang zu gut um wahr zu sein. Ich lieb die Idee auch heute noch…
Und dann kam mein Körper und funkte dazwischen.
Etwas, was ich Monatelang geahnt habe, wurde traurige Realität. Meine Blasenschmerzen, die von Woche zu Woche schlimmer werden, können vermutlich nur operativ abgeklärt werden.
Neue Bauchspiegelung, neues Theater.
Einerseits will ich Gewissheit über diese Schmerzen, anderseits weiß ich eigentlich alles, was nötig ist: Besser wird es nie mehr und die Schmerzen werden zu 90% von den vorherigen OPs kommen. Wenn an den Harnleitern und an der Blase, Gewebe operativ entfernt wird, entsteht Narbengewebe. Egal wie fein man arbeitet. Da macht man nichts gegen und vor allem hinterher macht man nichts. Ist es da, kann es mit jeder Op nur schlimmer werden.
Will ich mich erneut operieren lassen, um mir genau dieses Wissen, auch noch wissenschaftlich bestätigen zu lassen? Ist es das wert? Wahrscheinlich nicht.
Heißt das im Umkehrschluss, dass ich jetzt damit leben muss, bei und nach jedem Toilettengang, unsagbare Schmerzen zu haben? Wahrscheinlich Ja.
Nun mischt mein Hormonimplantat mit. Kurzfassung: Erst sagte die Krankenkasse, sie zahlen, dann wieder nicht, dann doch und zum Schluss wurde ich als Lügnerin betitelt. Endergebnis: Am vergangenen Montag, dem 20.09, genau ein Jahr nach Beginn meiner Pillen-Einnahme, habe ich mir für 224€ ein Hormonimplantat einsetzen lassen, von dem ich nicht weiß, wie es wirken wird.
Viel mehr müsste es heißen: Ob es wirken wird. Denn eine Woche später habe ich die Befürchtung, dass es das nicht tun wird.
Seit vorgestern plage ich mich mit Unterleibsschmerzen herum. Mein ganzer Körper schreit eigentlich: „Marie! Du kriegst deine Periode!“
Nur kommt sie eben nicht.
Wäre ja okay, wenn sie weg bleibt. Hatte sie ein Jahr nicht und meine größte Angst ist ja auch, dass jetzt nach einem Jahr die monatlichen Schmerzen zurück kehren. Also brauchen tu ich das nicht.
Allerdings bin ich mir mittlerweile sehr sicher, dass das alles Vorboten sind für das, was jetzt auf mich zukommen wird.
Ich wünschte sagen zu können, dass es vermutlich alles halb so wild wird und bestimmt erträglich sein wird. Die Wahrheit ist hier aber die, dass selbst diese Vorboten schon nur noch schwer zu ertragen sind und ich ständig mit dem Gedanken spiele, Schmerzmittel zu nehmen, weil dieser Schmerz so konstant, Grenzwertig ist, dass es einfach nur Kräfte zehrend ist.
Sämtliche Hoffnung, die ich in diesen Behandlungsversuch hatte, gehen gerade schon nach einer Woche grandios unter.
Was das jetzt mit einem Umzug zu tun hat?
Na ja… ich bekomme gerade so deutlich wie es nur geht, vor Augen geführt, was diese Erkrankung bedeutet.
September und November zwei große OPs gehabt, die Linderung bringen und Organe erhalten sollten. Beides ist nicht eingetreten. Die Linderung kam durch die Pille und die Organe hab ich teilweise trotzdem eingebüßt, oder sie sind immer noch bedroht, irgendwann abzusterben. Meinen Eierstöcken ging es ja letztes Jahr schon nicht mehr gut. Wie lange die noch aushalten, ist fraglich.
Kein Jahr später rede ich mit Ärzten über erneute OPs. Kein Jahr später bekomme ich deutlich gezeigt, wie mein restliches Leben ausstehen könnte. Eine Op jagt die nächste, von den Schmerzmitteln kommste nie weg und sämtliche Behandlungsansätze bringen eigentlich nichts.
Ich verbringe mittlerweile mehr Zeit bei Ärzten, Gutachtern, Anwälten, in Kliniken und bei anderen Erkrankten, als bei jedem Freund und Arbeitskollegen zusammen gerechnet. Ich kann Besuche von/bei Freunden, innerhalb der letzten 6 Monate, an einer Hand abzählen. Arztbesuche und co sind zusammengezählt über 20.
Und da soll ich aus meinem, gerade etablierten, Ärzte-Klinik-Umfeld wegziehen und mir alles neu aufbauen? Scheint leider gerade unmöglich.
Wären es halbjährliche Untersuchungen: Kein Problem. Aber wenn man in einem halben Jahr bei 20 Arzt-, Gutachter- und Anwaltsterminen sitzt, dann lässt sich das nicht mehr mit min. 2 Stunden Fahrzeit verbinden.
Am Ende schlägt es alles auf die Psyche. Egal was ich tue, irgendwie scheint es gerade alles wieder keinen Sinn zu machen, weil ja jeder Versuch irgendwas für mich und mein Leben zu tun, doch wieder zunichte gemacht wird, durch diese scheiß Endometriose.
Am 29.09. ist Welt-Tag der Endometriose.
Ich schließe mich Ally, einer wunderbaren Freundin und ebenso Betroffenen, an.
Gerade läuft es alles andere als gut und positiv. Wieso soll ich dann am Welt-Tag was erzählen darüber, wie wichtig Aufklärungsarbeit ist? Wie wichtig ein richtiges Mindset ist und erst recht darüber, wie viele tolle Menschen man kennenlernen durfte, wenn mir gerade nur zu heulen zu Mute ist?
Wenn ich meine Erkrankung wieder einmal mehr zu Tode verfluche. Wenn ich am liebsten jeden tollen Menschen, den ich kennenlernen durfte, gegen ein Stück mehr Freiheit von der Erkrankung und Schmerzfreiheit tauschen wollen würde?
Ich würde lieber gesund, alleine durch‘s Leben gehen wollen, als so viele tolle Menschen zu kennen, weil wir die gleiche, fiese Erkrankung teilen. Das ist leider eine Tatsache.
Meine Kraft ist gerade ausgeschöpft. Nach 8 Jahren Selbstständigkeit habe ich mich zum ersten Mal geplant „krank gemeldet“. Zum ersten Mal habe ich Arbeitstermine abgesagt, damit ich Ruhe habe. Kraft tanken kann. Vorher hätte ich immer bis zum letzten Moment gearbeitet um niemanden „hängen zu lassen“.
Heute geht‘s nicht mehr. Ich brauche mal eine Auszeit. Vom Leben.
Und die einzige Auszeit, die ich mir nehmen kann, ist die Arbeit abzusagen.
Denn meiner Endometriose kann ich leider nicht absagen. Und ihren treuen Begleitern, den Schmerzen und Ärzten, leider auch nicht.