Here we go again – Operation Nr.3

Schlafen. Einfach schlafen. Wenn’s Handy klingelt, wird meine SmartWatch mir das mitteilen, in dem sie an meinem Handgelenk vibrieren wird. Ansonsten will ich gerade nichts von der Welt wissen.
Einfach Augen zu und Kopf aus. Das geht eben am besten, wenn man schläft.

So schlafe ich also. Mitten am Tage. Viele Stunden. Abends bin ich ein paar Stunden wach und drehe fast durch. Gegen 22Uhr möchte ich am liebsten aus meiner Wohnung rennen. Raus an die frische Luft. Einfach eine unendliche Runde um den Block spazieren. Wäre da nicht meine Ptbs, die mich direkt daran hindert, alleine in die Dunkelheit rauszugehen. Also fang ich an meine Wohnung aufzuräumen und sauber zu machen. Ich räume gewaschene Wäsche weg, schrubbe das Bad und die Küche.
Danach versuche ich mich von Youtube und co berieseln zu lassen. Um 2 Uhr zieht es mich endlich wieder ins Bett. Bis 9 Uhr. Da geht mein Wecker, um nochmal in der Klinik anzurufen. Vorher rufe ich eine Kundin an, die noch Fragen hatte, erreiche aber niemanden. Um 10 Uhr, nach mehrfachen Telefonaten, dann die Frustration: In der Klinik weiß keiner irgendwas. Ich soll Dienstag wieder anrufen, wenn die Sekretärin in der Klinik ist. Bevor ich ausraste, versuche ich es erneut bei der Kundin. Der AB geht dran. Kurze Zeit später ruft mich jemand an. Es ist die Sekretärin der Kundin, die mir mitteilt, dass sie meine Nummer weiterleitet und die Chefin sich die Tage melden wird. Ich leg mich wieder hin und schlafe nochmal 4 Stunden. Bloß nichts von dieser Welt hören und sehen.

Seit Monaten weiß ich, dass irgendwas „schiefgelaufen sein muss“ bei den beiden Operationen. Seit Monaten versuche ich dem ganzen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, doch in den letzten Wochen wurden die Schmerzen wieder heftiger. Ich weiß eigentlich, worauf es hinausläuft, wenn ich den Termin bei meiner Gyn wahrnehme. Kurz überlege ich ihn einfach abzusagen, doch schreit da mein Gewissen: „Du hast gesehen, was passiert, wenn man nicht sofort zum Arzt geht. Man landet als Notfall im Krankenhaus und legt dann einen Klinikmarathon hin.“ Ich gehe also hin.

„Es ist genau das, was man nicht hören will, aber ich glaube, ich brauchte diese Bestätigung von Ihnen jetzt auch noch einmal, dass man es wirklich abklären muss. Aber das bringt gerade alles wieder durcheinander, weil ich eigentlich ab Februar wieder Vollzeit arbeiten wollte.“
Meine Aussage am gestrigen Tage, nachdem meine Gyn mir eröffnete, dass man wirklich operieren muss. Meine Ärztin hat Recht. Umso schneller ich das jetzt abkläre, umso schneller bin ich wieder fit, umso schneller weiß ich aber vor allem, woher die Symptome kommen.
Das, was ich Monatelang vor mir hergeschoben habe und nicht wahrhaben wollte, ist jetzt doch wieder Realität geworden.

Ich muss zum dritten Mal, in etwas über einem Jahr, operiert werden. Eine erneute Bauchspiegelung.
Das klingt erstmal alles so harmlos. Sind doch nur ein paar kleine Schnitte, minimalinvasiv. Klingt fast niedlich. Aber so minimal ist das gar nicht. 6 Monate! So lange habe ich nach beiden OPs gebraucht, bis ich nicht mehr jeden Tag 5 Stunden Mittagsschlaf halten musste, zusätzlich zu den 12 Stunden, die ich in der Nacht geschlafen habe.

Es ist nicht die OP an sich. Die mach ich mit links. Ich kenn den Weg zum Op-Trakt auswendig. Ich weiß, worauf ich vorher und nachher alles achten muss. Ich weiß, dass ich jedem Pfleger und Arzt erzählen muss, dass ich Beruhigungsmittel brauche, damit ich nicht mit einer Panikattacke aufwache. Das Spiel hatte ich letztes Jahr oft genug gespielt, dass ich noch halb narkotisiert, aus dem Bett wollte, weil ich so in Panik war. Genauso weiß ich auch, dass die zügig mit der Narkoseeinleitung sein müssen. Denn genauso wie ich mit Panik aufwache, schlafe ich nämlich auch mit Panik ein. Jede Minute, die ich quasi nackt im OP liege und zig Leute um mich herum wuseln und an mir herum grabbeln, sorgt für mehr Panik. Und mit Panik einschlafen ist echt nicht so geil.

Auch alles danach ist ein Klacks. Ich weiß welche Schmerzmittel ich brauche. Dass die Drainage möglichst schnell aus meinem Bauch muss, weil die am meisten Schmerzen macht. Ich weiß, dass ich mir Kissen einpacken muss, damit ich auf der Seite liegen kann. Ich weiß, dass das im Krankenhaus alles echt „ein Klacks“ wird. Versteht mich nicht falsch. Ich werde trotzdem herum jammern, wenn ich Schmerzen habe und es hassen, auf zwei Quadratmetern eingesperrt zu sein. Aber die OP und der Klinikaufenthalt machen mir an sich wirklich keine großen Sorgen.

Das, warum ich wieder so gestresst von alle dem bin, ist schlichtweg die Tatsache, dass ich weiß, wie lange ich alles machen wollte und nicht konnte. Ich konnte nicht mal eben aufstehen. Nicht mal eben auf’s Klo gehen. Nicht selbst einkaufen gehen konnte, sondern auf Lieferungen meiner Familie angewiesen war. Nicht mal eben saugen konnte, wenn die Staubmäuse herumtanzten. Nicht mal eben das Bett neu beziehen konnte, obwohl ich seit vier Wochen in der gleichen Bettwäsche lag. Nicht mal eben die gewaschene Wäsche aufhängen konnte, weil ich ja so Wäschehänger über der Badewanne habe, wo man also die Arme hochheben muss und sich strecken muss, um Sachen über die Leinen hängen zu können. Nicht mal eben duschen gehen konnte, weil man immer Angst vor Kreislaufproblemen haben musste und das gar nicht so geil ist, als Single in seiner Dusche zusammen zu brechen. Dann wird man nämlich erst Tage später gefunden.

Und on Top zu alle dem: Man ist isoliert. Ich konnte nicht mal eben irgendwohin fahren. Ich bin nach vier Wochen?! das erste Mal wieder Auto gefahren. Vorher ging es nicht. Ich konnte ja nicht mal, mal eben spazieren gehen. Ich musste meinen Eltern fragen, ob sie sich erbarmen, mich vor die Tür zu begleiten. Und nebst dem, dass man isoliert ist, ist man gleichzeitig aber auf Hilfe angewiesen. Ich lebe im 3.OG Altbau. Ich komm die Treppen hier nach den OPs nicht einfach hoch und runter. Das ist Hochleistungssport. Folglich musste meine Mutter für mich einkaufen gehen und mir die Einkäufe bringen. Einen Tag lag ich im Bett und sie hat die Einkäufe in meine Schränke verräumt, weil ich nicht aufstehen konnte. Einen anderen Tag hat sie meine gewaschene Wäsche aufhängen müssen, weil ich mich nicht strecken konnte. Versteht mich nicht falsch… Meine Mutter hat früher auch meine Wäsche gewaschen und aufgehängt und weggeräumt. Aber wisst ihr, wie sich das anfühlt, wenn man als 26, jetzt 27-Jährige, die eigene Unterwäsche von Mutti weggeräumt bekommt, weil man’s selbst nicht kann? Ist kein schönes Gefühl.

Alternativ hieß es immer: Zieh doch ins Gästezimmer. Und ja, es wäre für meine Familie eine Entlastung gewesen, hätte ich erstmal bei meinen Eltern gewohnt. Aber ganz ehrlich? Die Jahre, in denen ich zuhause gewohnt habe, waren die, in denen ich meine Familie am meisten gehasst habe und meine Mutter nicht eine Sekunde ertragen konnte. Ich muss dieses „gute Verhältnis“, das wir jetzt haben, nicht wieder kaputt machen, weil ich es nicht ertrage, meine Mutter 24/7 zu sehen.

In der gesamten Zeit nach den beiden OPs wollte ich möglichst schnell wieder selbstständig sein und so wenig Hilfe in Anspruch nehmen, wie nur möglich. Was heißt, nach den beiden OPs? Immer schon. Ich bin kein Mensch, der gut Hilfe annehmen kann. Ich mach immer erst alles allein, breche mir alle Knochen und frag dann nach Hilfe. Das hat sich zwar mittlerweile gebessert, weil ich weiß, dass ich nicht mehr so kann, wie ich will, aber trotzdem will ich so selbstständig wie möglich sein. Was meint ihr, wie mich das nervt, dass mittlerweile alle Kollegen ständig fragen, ob sie helfen können, bzw mir sogar verbieten, gewisse Dinge zu schleppen oder ähnliches. Gut gemeint, aber ich könnt jedes Mal kotzen. Oft hab ich das Bedürfnis, mich wie ein Kleinkind auf den Boden zu schmeißen, mit den Fäusten zu trommeln und zu rufen: „ICH WILL ABER!“ Das geht mittlerweile auch so weit, dass ich mir denke: Lasst mich doch hinterher mit Schmerzen zusammenbrechen. Hauptsache ich darf mal wieder machen, was ich will…

Die OP an sich ist mein kleinstes Problem. Das ist Routine, so absurd das klingt. Dem blicke ich gelassen entgegen. Doch die Zeit danach? Dieses langsam wieder „gesund“ werden. Wieder Monate lang Rätsel zu raten, was der Körper gerade mitteilen will. Wieder hoffen müssen, dass die OP überhaupt was gebracht hat. Wieder Wochen und Monate lang auf andere angewiesen sein. Und am Ende nicht zu wissen, ob man dann im März wieder Vollzeit arbeiten kann, so wie man es eigentlich schon für den Februar geplant hatte, oder ob doch alles wieder viel länger braucht… und vor allem nicht zu wissen, wie lange es bis zur nächsten OP dauern wird.  

Veröffentlicht von Kleinekaeferin

28. Freiberuflich im Zirkus unterwegs und über die Hälfte ihres Lebens psychisch erkrankt. Bedingt durch das Jahr 2020 geht es vor allem um Corona, meine Endometriose-Diagnose und alles, was sonst so passiert ist. Alle Gedankengänge, die für Instagram zu lang sind, kommen in Zukunft hier hin.

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