Halleluja, wo fängt man den Blog-Eintrag jetzt an und wo hört man ihn auf?
Das letzte Mal gab’s wenige Tage vor der dritten OP von mir zu hören und dann wurde ich plötzlich sehr stumm. Woran lag es? Tja… Ich könnte viele Ausreden bringen, aber es gibt nur eine ehrliche Antwort: Ich bin die letzten Monate komplett überrollt worden und weiß überhaupt nicht mehr wohin mit mir, geschweige denn, wie ich mich selbst ertragen soll.
Ein Rückblick. Die dritte OP war am 24.01.2022 und man hat wieder Endometriose gefunden, trotz 1 1/2 Jahren Dauermedikation durch Pille und später Hormonimplantat. Der Darm wurde von der Bauchwand gelöst, die Blase von der Gebärmutter und einige kleinere Herde beseitigt. Erstmal nichts spannendes, wenn man es z.B. mit der Darmteilresektion vergleicht. Erstmal… Denn fragt mich nicht warum, aber irgendwie war ich nicht drauf vorbereitet, dass es noch schlimmer kommen könnte, als bisher. Vor der Darm-OP habe ich mich sogar darauf vorbereitet, dass ich vielleicht einen künstlichen Darmausgang kriegen könnte und war fein damit. Jetzt hab ich nur damit gerechnet, dass sie was an der Blase finden und wenn es nur Narbengewebe ist. Irgendwas, was die Symptome erklärt. Über andere Dinge habe ich nicht nachgedacht. Die Eierstöcke sehen noch schrecklicher aus als vor einem Jahr. Ob da überhaupt noch eine Funktion ist, ist mittlerweile sehr ungewiss. Diesmal hat man die Durchlässigkeit nicht geprüft, aber da sie im November 2021 schon sehr schlecht war, wird da nicht mehr viel von übrig sein. Leider war das nicht alles. Ich bin in die OP gegangen mit dem Wissen, dass meine Blase durch die ersten beiden OPs gelitten hat und nun Probleme bereitet. Hinaus kam ich mit dem Wissen, dass einer meiner Eierstöcke angefangen hat die Verbindung zwischen Niere und Blase zu fressen. Die Endometriose hat dafür gesorgt, dass der Eierstock nun am Harnwegsleiter (nagelt mich nicht fest. nach drei OPs, wo an der Blase und Verbindungen operiert wurde, verwechselt man alles..) festgewachsen ist und ihn Stück für Stück kaputt machen wird. Man hat diese Verbindung aber nicht gelöst, weil das Risiko, dabei den Harnwegsleiter zu verletzen, zu groß war. Man wollte keine neuen Probleme schaffen, die ich noch nicht gemerkt habe…
Was heißt das nun konkret? Ich werde irgendwann in den nächsten Monaten bis Jahren, je nachdem wie schnell die Endometriose wütet, Probleme bekommen. Wenn die Verbindung zwischen Nieren und Blasen eingeschränkt, oder komplett gekappt wird, kann es von Harnstauungen, bis zu Organschädigenden Einschränkungen alles geben. Hinzukommt aber eben auch, dass die Eierstöcke als solche immer mehr in Frage stehen, ob sie überhaupt noch eine Daseinsberechtigung haben, oder ob man sie nicht besser entfernt um zukünftigen Problemen vorzubeugen. Das würde nebst gravierenden Hormonstörungen aber auch zu Sterilität führen. Das, was bisher eh in Frage steht, wäre dann endgültig.
Wochenlang konnte ich gar nicht darüber reden. Sobald der Gedanke aufkam, habe ich ihn weg gedrückt. Ich wollte nicht heulend zusammenbrechen, wegen all dem scheiß. Tja.. Was soll ich sagen? Zusammengebrochen bin ich Monate später, nachdem ich mir ein halbes Jahr lang, eine handfeste Depression herangezüchtet habe. Als nach der OP dann Suizidgedanken aufkamen, hab ich endlich eine Mail an die Psychotherapeutische Praxis geschrieben, die mich im Juli 2021 auf ihre Warteliste genommen hat und wenige Tage später hatte ich ein Videotelefonat mit einer anderen Therapeutin. Da kam in den 50 Minuten dann alles heraus, was ich monatelang aufgestaut habe und nicht kund tun wollte. Mehrfach kam die Frage, ob man mich in der Warteliste vorziehen muss, bzw ob ich nicht zwischenzeitlich einen Psychiatrischen Aufenthalt einlegen sollte. Ich hab überzeugt gesagt: “Ne, passt. Ich hab das alles Jahrelang ausgehalten, da überstehe ich noch ein paar Monate mehr.”
Little did I know… Ich wurde überrascht, wie kaputt meine Psyche tatsächlich ist. Also nicht was mein Borderline, die PTBS, Essstörungen und co betrifft. Das weiß ich, wusste ich immer und das wird auch noch eine Weile so kaputt bleiben. Aber ich dachte, ich hätte die vergangenen zwei Jahre mit Corona, finanzieller Krise und der Endometriose-Reise gut weg gesteckt. So gut, wie man es weg stecken kann, wenn man all das innerhalb von zwei Jahren erlebt. Aber bullshit. Nichts hab ich gut weg gesteckt. Beim Thema “Kinder” könnt ich jedes Mal anfangen zu heulen. Schwangere sind gerade ein No-Go, egal wie sehr ich mich versuche für sie zu freuen. Meinen Neffen aufwachsen sehen, ist zwar einerseits ein Geschenk, andererseits die ständige Erinnerung, was mir vielleicht verwehrt bleibt. Neulich hat er beim sonntäglichen Familienessen, seine ersten Schritte ohne Hilfe gemacht. Den Stolz seiner Eltern konnte man nicht übersehen. Wir, meine Eltern und ich, waren es auch, doch gleichzeitig war es ein gekonnter Stich ins Herz. Ich hab das Erlebnis vielleicht niemals, dass mein eigenes Kind anfängt zu laufen. Mir wird dieses Mutterglück aller Voraussicht nach, verwehrt bleiben. Und das ist nur eines der vielen Themen, die mich aktuell an den Rande des Wahnsinns treiben.
Gleichzeitig muss ich parallel zu meiner Depression nun einen Umzug planen. Raus aus meinem Heimat-Stadtteil, in einen anderen Teil der Stadt, mit dem ich keine Verbindung habe… Auch hier, das berühmte Tja… Wenn das immer alles so einfach wäre, wie es erstmal scheint. Ich hab es die letzten zwei Jahre kaum noch in meiner aktuellen Wohnung ausgehalten. Das Haus gleicht einer Ruine; im Schlafzimmer wächst Schimmel; die Fenster sind alle so undicht, dass sie Kerzen auspusten; die Vermieter sind eine Katastrophe; auf meiner Etage züchtet jemand eine Grasplantage (zumindest riecht es hier so) und ich Krüppel weiß an vielen Tagen gar nicht, wie ich hier das Treppenhaus bezwingen soll, gerade nach größeren Einkäufen. Besonders nach den OPs war ich hier wie eine Gefangene, weil ich diese Treppen nicht selbstständig überwinden konnte, um mal an die frische Luft zu kommen. Also erstmal klingt das super, wenn ich sage: Sympathischer neuer Vermieter, schöne renovierte Wohnung, 14qm mehr, keine drei Etagen mehr hoch, keine Hausdienste und Supermarkt, Apotheke und DM sind fußläufig. Miete ist auch vollkommen in Ordnung.
Nun möchte man aber aus dem dritten OG Altbau auch erstmal ausziehen. Eine Küche, ein paar Schränke, ein Sofa und ein Bett, plus ein paar Kartons Inhalt. Klingt bei 39qm auch erstmal nicht viel. Ich kann aber nichts tragen, bzw nicht in den Größenordnungen. Wenn ich hier was runter schleppe, dann vielleicht ein paar Kartons, aber keine Möbelstücke. Danach fall ich dann nämlich tot um vor Schmerzen und Erschöpfung. Mein Körper ist so kaputt, der kann das nicht mehr. Bitter, dass mit 27 Jahren zu sagen. Die Küche muss auf den mm genau in die neue Wohnung ziehen und angepasst werden. Nur eine der vielen Dinge, die noch viel Theater bereiten werden. Mich stresst das alles jetzt schon so sehr, dass ich es am liebsten alles abblasen würde. Neuen Mietvertrag auflösen, alten behalten und niemals umziehen. Dann müsste ich auch nicht aus meiner Heimat weg. Da, wo ich 26 von 27 Jahren verbracht habe. Wo ich jede Gasse kenne; jedes Geschäft und alle Eigenheiten. Wo ich weiß, dass ich Montags und Donnerstags nicht auf dem Marktplatz parken kann, weil am nächsten Tag Markt ist. Wo ich genau weiß, wo im Rewe, welche Produkte zu finden sind, so dass ich an schlechten Tagen, in 5 Minuten wieder aus dem Laden heraus sein kann. Da, wo ich weiß, welcher Bäcker die besten Gebäcke verkauft und die sympathischsten Verkäufer hat. Hier, wo ich gelernt habe, mit niemandem was zu tun haben zu müssen, wenn ich es nicht will, aber jederzeit wüsste, wie ich Kontakte schließen könnte, wenn ich wollen würde. Hier, wo die Familie nur 5 Minuten entfernt ist. Man mal eben vorbeifährt und sich Essen schnorren kann. Oder mal für eins, zwei Stündchen zum Spiele spielen verweilt. Nicht, dass die zukünftigen 20 Minuten das jetzt groß ändern würden, aber in meinem Herzen ändern sie alles. Eigentlich wollte ich hier nie weg und will es auch weiterhin nicht. Aber mit meinen Einkünften, sind hier keine Wohnungen bezahlbar. Meine aktuelle Miete, die unter 10€/qm liegt, gibt’s hier so nie wieder. Ich kann es mir schlichtweg nicht leisten, hier zu bleiben.
So sitze ich nun hier, schreibe nach Monaten mal wieder einen Blog-Eintrag und merke, was ich die vergangenen Tage schon öfter stumm vor mich her gedacht habe. Ich kann nicht noch Monate auf einen Therapieplatz warten. Ich brauch den eigentlich schon jetzt.
Es gibt also zwei Möglichkeiten: Ich melde mich erneut in der Praxis und teile das so mit… oder ich warte die nächsten Wochen ab, wie es mir dann geht. Denn nächste Woche gehe ich nach knapp drei Monaten erstmalig wieder arbeiten und ab dann auch wieder regelmäßig. Vielleicht hilft das auch schon enorm, wenn man nicht tagtäglich in seinen Gedanken gefangen ist, sondern wieder was sinnvolles tun kann. Wenn ich wieder tun kann, was ich immer so geliebt habe: Anderen Menschen helfen, über sich hinauszuwachsen und schöne Momente zu erleben, die sie in ihrer Persönlichkeit stärken. Vielleicht hilft es, anderen zu helfen. Wenn es mir am Ende des Monats dann immer noch schlecht geht, ist die Praxis immer noch erreichbar. Dann kann ich immer noch sagen, dass ich das alles alleine nicht mehr schaffe.
Ich verstehe jetzt auf jeden Fall, was man damit meint, wenn es heißt, dass man schon viel erreicht hat, wenn der erste Schritt erstmal gemacht ist… die Praxis zu finden, zu kontaktieren und auf ihre Liste zu kommen, war der schwerste Schritt. Sich nun zu melden, weil man nicht länger warten kann, ist keine große Überwindung mehr. Aber eine letzte Chance es mir nochmal alleine zu beweisen, geb ich mir noch. Nachdem ich über 14 Jahren alleine mit meiner Psyche leben musste und zwei Suizidversuche überlebt habe, bin ich dann doch ein wenig in meinem Ehrgeiz gepackt, es einmal mehr alleine zu schaffen, auch wenn ich weiß, dass ich es nicht muss. Aber auf der Warteliste stehe ich so oder so schon. Also früher oder später hilft mir jemand, wieder ein “normales” Leben zu leben. Und bis dahin kann ich ja trotzdem meinem Stolz und Ehrgeiz nachgehen, alleine was zu schaffen.